Donnerstag, 15. August 2013
Jacob Matschenz in 'Grossstadtklein'
Ole (Jacob Matschenz) ist Anfang 20 und genießt das beschauliche Leben in der allertiefsten Provinz Mecklenburg-Vorpommerns. Die größte Aufregung bieten die forschen Moped-Rennen, die er mit seinen besten Freunden Ronny (Kostja Ullmann) und Marcel (Pit Bukowski) knatternd ausficht. Oles heile Welt wird erschüttert, als seine Mutter Susanne (Ulrike Krumbiegel) ihm mit Hilfe seines Opas Karl (Heinz W. Krückeberg) heimlich eine Praktikumsstelle als Kalender-Designer in Berlin verschafft. Wohnen soll Ole bei seinem Cousin Rokko (Klaas Heufer-Umlauf), den er vorher überhaupt nur ein einziges Mal gesehen hat. Das wiederum hat triftige Gründe: Oles Vater Heinz (Markus Hering) und Rokkos Vater Manni (Tobias Moretti) sind seit 25 Jahren heillos zerstritten und reden kein Wort mehr miteinander. Doch Oles Unbehagen angesichts dieser Situation legt sich schlagartig, als in Rokkos Wohnung plötzlich die ebenso hübsche wie verrückte Erzieherin Fritzi (Jytte-Merle Böhrnsen) nackt vor ihm steht und er sich auf der Stelle in sie verliebt.
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Wenn man bedenkt, was für filmischer Schrott uns ständig aus den USA entgegenflutet, dann muss man sich schon wundern, warum sich manche deutschen Produktionen mit Herz so abstrampeln müssen, um wenigstens ein Mindestmass an Publikum zu erreichen, wenn nun nicht gerade der Name Schweiger oder Schweighöfer über der Produktion steht. Und auch wenn Til Schweiger beteiligt ist (hier als Produzent), dann bewahrt das einen Film wie "Grossstadtklein" nicht davor, mit der Premiere direkt ins Nachmittagsprogramm abgeschoben zu werden.

Dabei ist dieses Langfilm-Debüt von Regisseur Tobias Wiemann eine allemal sehenswerte "Culture Clash"-RomCom, die flott inszeniert ist und für neunzig Minuten gute Unterhaltung sorgt. Zwar kann sich das Drehbuch nicht ganz entscheiden, ob es nun Familiendrama sein will, Grossstadt-Provinz-Kollision, Coming-Of-Age-Film oder einfach nur Liebesschnulze. Dafür bietet der Streifen von alledem ein bisschen und macht daraus einen Schweigeresken Wohlfühl-Cocktail mit schönen Bild-Kompositionen und dramatischem Pop-Soundtrack. Und auch wenn diese Mischung ebenso vorhersehbar wie überschaubar ist, sie funktioniert und unterhält den Zuschauer auf seichte Weise. Den ein oder anderen unpassenden Kalauer wie die Schamhaar-Rasur hätte man sich zwar kneifen können, aber die Homophobie-Szene z.B. ist grossartig.



Mag man sich auch vielleicht an der etwas oberflächlichen Erzählung reiben, die alle Stränge nur streift und sich dabei der zu erwartenden Stereotypen wie Provinz-Tölpel und arroganter Grossstädtler bedient, sind es die Darsteller, die neben der reibungslosen Inszenierung über die Schwächen im Plot hinwegspielen. Jacob Matschenz ("Die Welle") und TV-Klamauker Klaas Heufer-Umlauf ("Rubbeldiekatz") ergänzen sich hervorragend als gegensätzliche Cousins, Jytte-Merle Böhrnsen ("Schutzengel") gibt überzeugend dieses seltsame Mädchen, das im Grunde das Klischee der Grossstadt-Einsamen personifiziert, und Tobias Moretti ("Jud Süß - Film ohne Gewissen") macht als schräger Manni jeden seiner Auftritte zu einem kleinen Film-Highlight. Sie alle (und der ebenso routinierte Neben-Cast) spielen sich die sentimental-komischen Bälle zu und machen aus den harmlosen Geschichten eine amüsant-anrührige Posse, die nicht wirklich mehr sein will als reinste Popcorn-Unterhaltung, das aber auch mit einer durchschlagenden Leichtigkeit erfüllt. "Grossstadtklein" ist vielleicht nicht das deutsche Kino-Highlight des Jahres, aber für cineastische Kurzweile mit höchstem Spassfaktor reicht das allemal.
Bewertung: 9/10 (Moviepilot Prognose 5)

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